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Tourismus. Zukunft. Lebensraum: Persönliche Blickwinkel auf Paris

change, Klimawandel, Lebensraum, Städte, Transformation

Catharina Fischer01. Aug 2022

Tourismus. Zukunft. Lebensraum. Nicht mehr und nicht weniger wollten wir in Paris bei unserer Coworkation erfahren, erleben und kennenlernen. Von vielen Projekten die derzeit auf dem Weg hin zum „Paris der Zukunft“ bewilligt und teilweise auch schon umgesetzt wurden, hatten wir gehört, gelesen und bereits im Vorhinein darüber diskutiert. Wir waren neugierig darauf, was wir alles in einer Woche sehen und schon spüren können und wie sich Paris als Location für unsere jährliche große Coworkation eignet.

Ein paar Bewegtbilder von unseren Erkundungstouren durch Paris. 

 

So viel sei an dieser Stelle schon verraten: Es gibt da ganz unterschiedliche Perspektiven in unserem Netzwerk. Und das ist gut so. Denn die Lebensräume von morgen, von denen Städte einen großen Teil ausmachen, haben verschiedene Anforderungen und Funktionen zu erfüllen. Der Aufenthalts- und Erholungssraum im Kontext des Tourismus – natürlich omnipräsent in Paris – ist nur eine davon. Es geht darüber hinaus um Wohnraum, Mobilität, Erzeugung, Versorgung und Verbrauch sowie auch um digitale Infrastrukturen.

Warum interessiert uns das und was hat das mit Tourismus zu tun?

Erstens, weil es den Tourismus maßgeblich beeinflusst und zweitens, weil auch der Tourismus den Lebensraum formt und von diesem profitiert. Und keine Angst, wir machen und ihr braucht jetzt kein Begleitstudium zur Stadtplaner*in. Was wir aber brauchen ist ein Bewusstsein und eine Sensibilisierung für die relevanten Fragestellungen, um Tourismus in Städten in Symbiose mit diesen und nicht aneinander vorbei zu entwickeln. Vor allem im Städtetourismus geht es eben nicht um explizite touristische Produkte, sondern um das Eintauchen in die Lebenswirklichkeit der Einheimischen – um die Wahrnehmung und Gestaltung des Lebensraums – oder eben: Tourismus. Zukunft. Lebensraum.

 

Der persönliche Blick – ein paar Statements zu Paris von uns für euch

Einige von uns haben ihre Eindrücke zu den folgenden zwei Fragen kurz verschriftlicht:

  1. Wie hat sich die Wahrnehmung von Paris durch deinen Aufenthalt verändert?
  2. Was sind die größten Learnings für ein Lebensraum-Management die man aus Paris mitnehmen kann?

Kristine Honig - Tourismuszukunft

Kristine

Was ich mich in Paris oft gefragt habe: Ist etwas schon gut, nur weil es besser ist?
Sicherlich hat sich bereits vieles in Paris getan. Gerade auf den an vielen Stellen veröffentlichten Vorher-Nachher-Bildern sieht man dies deutlich. Wenn man diese Fotos allerdings nicht kennt, wüsste man nicht, wie die entsprechende Straße einmal aussah – dann wäre vieles noch immer nicht gut. Noch immer zu laut, zu eng, zu asphaltlastig, zu sehr auf den Autoverkehr ausgerichtet, zu wenig Aufenthaltsqualität. Hierdurch ist mir noch einmal bewusst geworden, was für ein langer Weg für die tatsächliche Transformation unserer Städte noch vor uns liegt. Eben weil es gegenwärtig an vielen Stellen in erster Linie noch darum geht und gehen muss, die Gestaltung der Städte erst einmal weniger schlimm zu machen. Schließlich starten wir nicht mit einem weißen Blatt, sondern mit einem bereits bebauten Grund.

Roland

Ich war voller Neugier nach Paris gefahren. Und mit vielen Vorschusslorbeeren und Vorurteilen. Entschieden hatten wir uns ja für Paris, da es immer wieder als Best Practice für den Wandel einer Stadt in Richtung Nachhaltigkeit daher kommt. Andauernd hört man von neuen Plänen die Stadt grüner und lebenswerter zu machen, wie mutig die Politik und insbesondere die Bürgermeisterin Madame Hidalgo.

Und vorweg: ´es ist eine gewaltige Aufgabe. Wir haben die Stadt mitten in der großen Hitzewelle erlebt und somit erleben dürfen, welcher Unterschied zwischen einer normalen Straße, einem total versiegelten Platz und einer begrünten Zone besteht. Hier wird an einigen Stellen baulich eingegriffen, aber da gibt es noch sehr viel zu tun. Paris hat viel aufzuholen.

Wie hat sich also meine Wahrnehmung der Stadt verändert? Die Menschen waren wesentlich offener als erwartet, die Stadt aber sehr schmutzig, obwohl andauernd Reinigungs-Trupps unterwegs waren. Die in den Medien so oft präsentierten Beispiele hat man meist als punktuelle Versuche wahrgenommen, die Stadt grüner zu machen. Ich hatte mir die Stadt insgesamt in ihrer Transformation wesentlich weiter erwartet.

Paris geht viel zu Fuß, mit dem Fahrrad oder Scooter kommt man zwar oft gut voran, aber die Radwege sind schon ein Abenteuer. Paris ist laut, sehr laut, unangenehm laut, hat aber auch viele schöne und kuschelige Ecken, die als Kontrast dazu dienen. Vom kulinarischen her hätte ich mir von der Metropole mehr erwartet, vor allem auch, was vegane Ernährung betrifft. Es kommt nicht so oft vor, dass man andauernd erklären muss, was das überhaupt ist.

Was sind die größten Learnings für ein Lebensraum-Management die man aus Paris mitnehmen kann? Städte und Klimaerwärmung, das ist eine Kombination, die dringend Lösungen braucht. Bauliche Lösungen. Grüne Lösungen. Wenn man in die Zukunft denkt, wird das immer mehr zum Problem werden, vor allem für ältere und kranke Menschen. Schnell erreichbare Ruhezonen und Oasen innerhalb der Stadt sind sehr wertvoll. Nichts neues, aber gerade in Paris extrem gemerkt, wie wertvoll.

Weiteres Learning ist, wie weit andere Städte hier doch schon sind. Egal ob in Deutschland oder auch weiter Richtung Norden. Man nimmt das oft als gegeben hin und meckert, aber Paris zeigt, dass es das nicht ist. Ansonsten kann man hier nur noch mitnehmen, wie groß die Herausforderung in einer dicht bebauten Stadt ist und dass die Zeit rennt.

 

Andrea

Multikulti oder die Kraft durch Farben 

Jede Stadt zieht Menschen verschiedener Kulturen an. Dass dabei die (Kolonial-)Geschichte eine so grosse Rolle spielt, war mir nie so bewusst. Unser Hotel unmittelbar beim Gare du Nord liegt in einem Quartier, welches offensichtlich neue Heimat für viele Menschen afrikanischer Herkunft ist. Die sprichwörtliche Farbigkeit dieser Menschen hat mich ein bisschen verzaubert. Diese großgemusterten Stoffe in Blockfarben an den großgewachsenen stolzen Afrikanerinnen zu sehen, hat sehr viel Kraft und Energie ausgestrahlt, was gutgetan hat.

Streetart oder die Inspiration durch Kunst

Wo du auch immer entlang gehst, wenn du es mit offenen Augen und Neugierde tust, entdeckst du immer wieder kleine Kunstobjekte an Wänden. Oftmals drei oder mehr Strassenkünstler in unmittelbarer Nähe machen aufmerksam, wenn man sich denn einlässt. Manchmal sehr klein und zart, manchmal kraftvoll und grossformatig. Diese Zeichen der Künstler, die immer auch wieder gesellschaftsrelevante Botschaften zeigten und zum Innehalten und Reflektieren inspiriert haben, waren mein ständiger Begleiter, haben jede physische Bewegung in der Stadt bereichert und erleichtert und haben sogar Hitze oder Lärm erträglich gemacht.

 

Christoph Aschenbrenner ist Netzwerkpartner von Tourismuszukunft

Christoph

Mir sind die komplexen Systeme stark bewusst geworden, die so eine pulsierende Stadt am Laufen halten. Die Verkehrswege, an denen man den Umbau schon sieht, aber auch merkt, wie viel noch zu tun ist. Die Third Places, an denen sich Menschen begegnen, und die immer noch stark vom Autoverkehr beeinflusst werden und zum Teil sehr laut und wenig hitzeresistent sind. Paris ist unheimlich inspirierend und beeindruckend, man sieht aber auch, wie groß die Herausforderungen sind.

Mein größtes Learning: ein langfristig erfolgreiches Lebensraum-Management muss sozial gerecht sein. In Paris gibt es unheimlich viel Armut, und dabei waren wir noch gar nicht in den Banlieues. Wenn Quartiere lebenswerter werden, wird es erst einmal weitere Gentrifizierung geben. Darum ist es wichtig, nicht nur kleine Bereiche für Eliten umzugestalten, sondern das gesamte „System Stadt“, um weitere gesellschaftliche Spaltungen, wie sie sich in Frankreich ja gerade in den Wahlen ausgedrückt haben, zu verhindern.

 

Florian

Ich war das erste Mal in Paris. Vom ersten Moment an hat mich die Stadt mit ihrer Intensität begeistert. Meine Wahrnehmung ist sehr positiv, hatte vorher eher ein neutrales Bild. Natürlich hat die Stadt noch große Aufgaben vor sich. Aber Paris lebt. Das können viele (Innen-)Städte nicht (mehr) von sich behaupten, egal ob touristisch und/oder aus der Lebensraum-Perspektive.

Paris ist durch die dichte Bebauung und die historische Bausubstanz sowie die sozialen Spannungen alles andere als gut vorbereitet für eine grüne, nachhaltige und soziale Transformation. Aber der Wille zur Transformation ist vor Ort spürbar, auch wenn die Ausgangsbasis eine sehr schlechte ist. Mir wurde deutlich, dass es wichtig ist anzufangen – das Großereignis Olympia scheint ein wichtiges Momentum für den Impuls etwas zu ändern. Also ein klares Ziel mit einem konkreten Datum – das hilft.

Das Centre Georges Pompidou in Paris

 

Für mich persönlich ist Paris wie ein Mikroskop für die Herausforderungen unserer Welt. Höchstwahrscheinlich empfand ich es deswegen einerseits als sehr anstrengend sowie anderseits aber auch als sehr bereichernd. In wenigen Städten habe ich so viele Kontraste auf einmal wahrgenommen. Für die Zukunft von Tourismus und Lebensraum nehme ich vor allem eines mit: Wir brauchen eine andere Sicht auf Systeme. Eine Stadt ist auch ein System, welches aus unzähligen Teilen besteht, die miteinander in einer Beziehung stehen. Da entstehen Abhängigkeiten, Interaktion und Kreisläufe. Mit unserem immer noch sehr verbreiteten linearem Denkschema werden wir den Herausforderungen in solch einem Lebensraum nicht gerecht.

Wie seht Ihr das? Wer war und kennt Paris? Was sind Eure Gedanken zu den Städten der Zukunft?

Lasst es uns wissen!

 

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Catharina Fischer NEUES DENKEN I STRATEGIN I NACHHALTIGKEIT

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