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Ein goldenes Zeitalter des Reisens?

change, Corona, Klimakrise, Tourismustrends, Transformation

Florian Bauhuber23. Mai 2021

Ja, es geht wieder los. Der Optimismus hat die Branche erfasst – und er ist aus unserer Sicht auch berechtigt. Reisen wird in den kommenden Jahren ein wichtiges Momentum der Revitalisierung der Gesellschaft. Vergangene Pandemien wie z.B. die Spanische Grippe haben gezeigt, was uns blüht: ein goldenes Zeitalter! Die Goldenen Zwanziger in der Neuauflage. Aber ein paar Spaßverderber gibt es – am Ende liegt es an uns. Ja, auch an Dir. Neugierig?

Die Diskussion in der Branche ist da

Vergangene Woche fand ein Workshop des Kompetenzzentrum Tourismus des Bundes zum Thema „Das neue Reisen“ statt, bei dem wir mitwirken durften. Kernfrage hierbei war: Hat die Corona-Pandemie die Reisebedürfnisse der Deutschen verändert?

Drei Thesen wurden auf Basis der Befragungen der Branche und von Gästen (im April) diskutiert. Die Zielsetzung: Konsequenzen für das Reisen der Zukunft abzuleiten. Ohne jetzt zu sehr ins Detail zu gehen: Aus der aktuellen Einschätzung des Handelns ein zukünftiges Reisegeschehen abzuleiten, halten wir für ungeeignet.

Das aktuelle Infektionsgeschehen sowie die Einflussnahme der Regulationsregime beeinflussen den Blick auf die Zukunft. Das gerne verwendete dänische Sprichwort „Prognosen sind schwierig, vor allem, wenn sie die Zukunft betreffen“ unterstützen wir explizit, wenn sie aus dem Hier und Jetzt abgeleitet und extrapoliert werden. Ein Blick in die Vergangenheit lohnt allerdings.

Die Reise als Krisengewinner?

Betrachtet man die Reiseintensität nach Krisen, geht der Tourismus immer sehr schnell zum Ausgangsniveau zurück bzw. darüber hinaus. Die Corona-Krise ist hier sicher eine Zäsur der besonderen Art. Aber: Menschen haben vor der Krise das Reisen internalisiert, inkorporiert und als soziale Praxis gelernt. Der Weg zurück zum Reisen wird ein leichter sein – die letzten Tage zeigen das auch im Buchungsvolumen. Wenn das Regulationsregime und das Infektionsgeschehen es zulassen, wird gereist – und das durch alle gesellschaftlichen Milieus.

Die Sehnsucht nach dem Reisen – nach der Distanzerfahrung zum Alltag – ist da. Und das Geld ist (jedenfalls in Mitteleuropa, USA, China und Co.) auch vorhanden: Mitteleuropäer haben in der Krise so viel gespart wie nie zuvor. Alles deutet darauf hin, dass das „uno actu“-Prinzip des Tourismus zwar direkte Nachholeffekte unmöglich macht, aber indirekte Effekte – z.B. durch höhere Preise, längere Aufenthaltsdauer (durch aufgesparten Urlaub), Verschiebungen in die Nebensaison im Herbst – durchaus der Reisebranche gut tun können. Was spricht dagegen, dass wir in den kommenden Jahren einen Reiseboom mit höheren Margen erleben werden?

Das Gefangenendilemma und die Dummheit der Branche & Politik

Nicht nur unsere Gäste haben Verhalten internalisiert: Nein, auch die Akteure in unserer Branche „wissen“, wie es geht. Die alten Mechanismus und Logiken greifen wieder. Ein Rabatt hier, ein Preisnachlass da. Insbesondere die klassische Reiseindustrie, die Touristik, warb bereits vor der Öffnung mit massiven Preisnachlässen; Regierungen unterstützen dieses Handeln mit Kopfgeldern oder Reiseprämien.

Und schon war es wieder da – unser Gefangenendilemma. Subventioniert und wettbewerbsverzerrend durch Steuermittel befeuert. Jede Krise bietet auch die Chance für einen Reinigungsprozess in Märkten – diese Chance wurde vertan. Viele Akteure am Markt haben nichts daraus gelernt bzw. wurden vom Staat auch nicht gezwungen, etwas zu lernen. Mehr dazu kann man in meinem Interview / Podcast für den Hessischen Rundfunk hören.

Sicherungspolitik stand vor Strukturpolitik – Staaten wie Frankreich waren hier konsequenter im Umbau der Branche. In Deutschland versteckt man lieber die fertige Tourismusstrategie in Schubladen und schiebt fadenscheinige Gründe vor, warum man sie nicht veröffentlichen könne.

Michael Donth, Mitglied im Bundestag & Tourismusausschuss für die CDU, nannte bei den VIR Online Innovationstagen u.a. die Veränderungen bei nationaler Sicherheit und Digitalisierung als Grund, weshalb man die Nationale Tourismusstrategie nicht veröffentlichen könne. So wird viel Zeit verschenkt, der Branche eine Vision – einen Fixstern – und einen ordnungspolitischen Handlungsrahmen zu geben.

Ein Wandel ist unabdingbar
Ein Wandel ist unabdingbar (Bild: Snell Media)

Was bleibt? Was kommt? Und warum kann es doch nur blechern werden?

Mit dem impulse4travel-Manifest haben wir so einen Fixstern für die Branche vorgelegt. Warum? Um der Politik zu zeigen, in welche Richtung es gehen muss. Aber trotz des offensichtlichen Unwillens zu steuern können wir selbst etwas tun.

Wir können Verantwortung übernehmen und

  • unsere Unternehmen
  • unsere Arbeitskulturen
  • unsere Produkte und Angebote
  • unsere offenen Daten- und Systemarchitekturen
  • unsere Geschäftsmodelle & -strategien
  • unsere Allianzen und Netzwerke
  • unser kommunikatives Auftreten

aktiv gestalten, mit dem Ziel, positive Effekte für alle beteiligten Menschen und Akteure zu erreichen.

Es liegt an uns. Denn unsere Kund*innen werden ebenso handeln wie zuvor. Nachhaltigkeit und Resilienz unserer Branche sind nicht unbedingt im Interesse unserer Kund*innen – deren Werte haben sich durch die Krise nicht so verschoben, dass plötzlich alle werthaltige Produkte kaufen wollen und werden.

Es liegt an uns. Bewegungen wie die Better Trips-Initiative sind lobenswert – ob sie tatsächlich das Verhalten der Kund*innen ändern, fraglich. Wir müssen uns ändern – die nächste Krise kommt bestimmt.

Genauer gesagt: Sie ist schon da – und wir sind Teil des Problems. Die Klimakrise wird uns im nächsten Jahrzehnt mehr beschäftigen als alles andere und stellt die größte Bedrohung für das goldene Zeitalter des Reisens dar. Unsere Branche muss aufpassen, nicht zur „Zigarette“ der 20er Jahre zu werden – mit einem schlechten Image und allen Folgekonsequenzen (Brain Drain, Aufstand der Bereisten etc.).

Also lasst uns etwas ändern. Wir sind bereit. Und du?

Du willst Deinen Handlungsbedarf identifizieren? Hier geht es zum Zukunfts-Check, mit dem du deine Zukunftsfähigkeit bzw. die deines Unternehmens überprüfen kannst.

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Florian Bauhuber Geschäftsführer | Change Maker | Mentor

Florian Bauhuber ist Geschäftsführer des Experten-Netzwerks Realizing Progress. Bereits seit dem Jahr 2006 berät und begleitet er gemeinsam mit seinen Kolleg*innen unzählige Akteur*innen, die sich mit der Zukunft von Tourismus, Standorten und Lebensräumen beschäftigen. In seinem Fokus stehen dabei unterschiedliche Beratungsschwerpunkte: #ServiceDesign #Change #Nachhaltigkeit #DigitalStrategie #OpenData #Innovation

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