War das jetzt der große Wurf, auf den alle gewartet haben? Geht es jetzt richtig los mit der Nationalen Tourismusstrategie für Deutschland? Am Donnerstag, dem 11.05., jedenfalls war das Kick-Off Event der Nationalen Plattform, zu dem auch wir eingeladen waren. Gerne berichten wir, aus unserer Perspektive, über diesen Start und die Ergebnisse dieses Events.
Robert Habecks Gedanken
Es gibt nur zwei Nationale Plattformen, welche die aktuelle Bundesregierung ins Leben gerufen hat – eine im Automobil-Bereich und eine im Tourismus. Insoweit können wir uns glücklich schätzen, dass es konkrete Anstrengungen gibt, dem Thema Tourismus mehr Bedeutung zu geben. Dies wurde auch spürbar durch die Anwesenheit von Bundesminister Dr. Robert Habeck, der seinen Blick auf den Tourismus frei zum Besten gab. Er hatte drei zentrale Gedankenstränge im Gepäck, die er mit vielen Anekdoten aus seinem Wahlkreis schmückte:
- Arbeitsplätze
- Digitale Infrastruktur
- Klimakrise
Den finalen inhaltlichen Impuls setzte er in der Rolle des Tourismus für den globalen Zusammenhalt:
„Tourismus ist das Gegenteil von Krieg.“
Viel Applaus und eine positive Grundstimmung nach diesem Auftakt: ein gelungener Einstieg in den Tag und eine echte Wertschätzung für die Branche in diesen – vor allem für den Minister – dynamischen Zeiten.
Die Schwerpunkte der Nationalen Plattform
Im Anschluss war es an Dieter Janecek, MdB und Koordinator der Bundesregierung für die Maritime Wirtschaft und Tourismus, die inhaltlichen Schwerpunkte in den 4 Themen der Nationalen Plattform Zukunft des Tourismus zu präsentieren:
- Klimaneutralität/Umwelt- und Naturschutz
- Digitalisierung
- Fach- und Arbeitskräfte gemeinsam sichern
- Wettbewerbsfähigkeit im Tourismus fördern
Die Überraschung war groß, dass die Schwerpunkte bereits gesetzt sind und einen durchaus operativen Charakter mit ganz konkreten Maßnahmen aufweisen (z. B. Digitalen Hotel-Check-In vorantreiben). Die detaillierte Auflistung der Schwerpunkte findet man auf den Seiten der begleitenden Agentur Dr. Fried & Partner, die gemeinsam mit inspektour die Nationale Plattform begleiten darf. Wir hatten uns gemeinsam mit Partnern ebenso beworben, uns allerdings im Laufe des Bewerbungsprozesses gegen eine Angebotsabgabe entschieden. Wir wünschen dem Konsortium und dem Tourismus in Deutschland viel Erfolg – die Aufgabe ist zu wichtig, um an dieser Stelle nicht trotzdem aktiv mitzuwirken.
Die Break-Out-Sessions
Aktiv mitwirken bedeutete im Rahmen des Kick-Offs für alle Teilnehmer*innen, operative Beispiele (Best Practices) in den jeweiligen Break-Out-Sessions zu sammeln. Genauer gesagt, in jeweils zwei Schwerpunkten im jeweiligen Thema.
Dies wurde natürlich rege dazu genutzt, das eigene Handeln als Best Practice zu platzieren. Die Perspektive verrutschte damit sehr in Richtung Deutschland – die echten Best Practices, vor allem in der Digitalisierung, sind allerdings nicht innerhalb Deutschlands zu finden. Warum kann man in anderen Ländern überall digital bezahlen? Kein Zufall, sondern regulatorische Vorgabe. Andere Länder schaffen es, über Veränderung und Innovation nicht nur zu reden, sondern diese wirklich auf die Straße zu bringen:
- Mit klaren Entscheidungen der Regierenden.
- Mit echten strategischen Leitlinien (also Strategien, die ihrem Namen gerecht werden).
- Und mit der Kopplung dieser Strategien an die Förderung und Finanzierung von Projekten.
Wie lange reden wir jetzt schon über beispielsweise Digitalisierung im Tourismus? 20 Jahre? Über den Klimawandel – noch länger? Immer geht es um die gleichen Lösungsansätze, die aber in ihrer Wirkung verpuffen.
Unser Anspruch
Mit unserer neuen Vision, die wir im Zuge der Corona-Pandemie entwickelt haben, hat sich auch unser Anspruch als Netzwerkpartner*innen von Realizing Progress verändert. Wir treten für Gerechtigkeit, Toleranz und Menschlichkeit, für nachhaltiges und gemeinwohlorientiertes Handeln ein. Wir haben eine klare Haltung und vertreten diese auch.
Unsere Erkenntnis: Bei vielen Themen werden wir, ohne die richtigen politischen Rahmenbedingungen und Entscheidungen, keinen Fortschritt erreichen. In Folge engagieren wir uns auch, dass das Regulativ – in diesem Fall die Bundesregierung – die richtigen Rahmenbedingungen schafft, d. h. tatsächlich regulierend eingreift. Dies trifft für alle vier oben genannten Themen zu, die in der Nationalen Plattform besprochen werden sollen. Wir brauchen keine weitere Netzwerkveranstaltung – das können wir im Tourismus seit Jahrzehnten gut – , sondern, wir brauchen folgendes:
1.) Eine Vision, wie der Tourismus in 2030 in Deutschland und Europa aussehen soll.
2.) Klar definierte Werte & Handlungsprinzipien, wie wir den Tourismus in Deutschland in einer dynamischen Welt entwickeln wollen.
3.) Klare regulatorische Eingriffe – ja, einen gesetzlichen Rahmen – , um Praktiken z. B. in der Digitalisierung oder Nachhaltigkeit, in der Breite zu verankern. Nur auf Eigenverantwortung und unternehmerische Freiheit zu setzen, bringt uns in der Breite nicht ans Ziel.
Eine Strategie mit Wirkung
Wir haben keine Zeit mehr zu verlieren!
In Folge wünschen wir uns, dass wir schnell ins Arbeiten kommen, Erkenntnisse gewinnen und eine Strategie für den Tourismus in Deutschland entwickeln, die ihren Namen wirklich wert ist.