Der 19. Mai war ein denkwürdiger Tag. Nach Monaten des Wartens öffneten sich für den Tourismus in Österreich endlich wieder die Türen. Wie passend, genau an diesem Tag im Rahmen der europäischen Toleranzgespräche über das Thema „Tourismus neu denken“ zu sprechen! Das impulse4travel Manifest bot hier den perfekten Rahmen und war Richtschnur für die relevanten Zukunftsthemen.
Der Tourismus als Zukunfts- und Lebensraumgestalter
Zu Beginn des Tourismusforums stellten wir den Teilnehmern und Zuschauern die zentralen Aspekte des impulse4travel Manifestes vor und leiteten damit in die darauffolgenden Arbeitsgruppen ein. Die 8 Aspekte zeigen schön, wie letztlich alles ineinandergreift und welche Bereiche für die Zukunft des Tourismus wichtig sind.
Die zentralen Aussagen der 8 Aspekte des Manifestes seien an dieser Stelle noch einmal kurz zusammengefasst:
- Der Tourismus ist Zukunftsraumgestalter – Zukunft gestalten geht nur gemeinsam. Wenn wir für alle lebenswerte Räume schaffen wollen, müssen wir auch alle an dem Prozess gleichberechtigt beteiligen. Dadurch erhalten wir einerseits ein Verständnis über die Erwartungen anderer sowie andererseits eine Basis für das gemeinsame Handeln.
- Nachhaltigkeit und Wertschätzung als Chancen für zukunftsfähiges Handeln – Werte schaffen Wertschätzung gegenüber Mitarbeitern, Einheimischen und Gästen und damit letztlich auch nachhaltige Wertschöpfung. Denn was ich wertschätze, bin ich auch bereit zu schützen und zu pflegen, um es auch der nächsten Generation zur Verfügung zu stellen.
- Eine konsequente Wertorientierung als Basis für die Marktausrichtung – Mit den Werten steht die Qualität und nicht der Preis im Vordergrund. Mit Qualität schafft man ein deutliches Unterscheidungskriterium.
- Echte Offenheit und Vernetzung in allen Beziehungen – Das Zusammenrücken der Branche während der Pandemie sollte Blaupause für die Zukunft sein. Nur miteinander sind die Herausforderungen unserer modernen Gesellschaft zu meistern und offene Netzwerke schaffen hier ein agiles System des Wissenstransfers sowie der Problemlösung.
- Ethische Gestaltung der soziotechnischen Entwicklung – Die Digitalisierung ist ein Werkzeug, um die Zukunft zu gestalten. Wir Menschen müssen es fair, sinnvoll und für alle zugänglich einsetzen.
- Das Leben neuer Arbeits- und Reiseformen – Unsere Arbeitswelten ändern sich Schritt für Schritt. Diese Veränderungen haben bzw. werden einen großen Einfluss auf unsere Lebenswelt haben. Die Grenzen verschwimmen langsam, aber immer mehr. Daraus resultiert auch ein anderer Konsum von Frei- bzw. Urlaubszeit.
- Mitarbeiter*innen als tragende Säule des Wandels – Der Mensch ist der zentrale Baustein in unserer Vision des Tourismus als Zukunfts- und Lebensraumgestalter. Die Dienstleistung am Menschen war immer schon Dreh-und Angelpunkt im Tourismus. Insofern fusst ein Neudenken auf der Möglichkeit, sowohl bestehende als auch neue Talente für die Branche zu begeistern. Echte Beziehungen ebnen hier den gemeinsamen Weg.
- Der Tourismus als politischer Gestalter und Berater – Ohne Politik geht es nicht. Die Tourismusbranche braucht eine starken politischen Partner, um noch besser und zukunftsweisender auf kommende Herausforderungen reagieren zu können.
Wer sich die komplette Keynote noch einmal ansehen möchte, hat auf YouTube die Möglichkeit dazu.
Vier Arbeitsgruppen zu vier Themenbereichen des Manifests
Nach dem Einstieg in das Manifest diskutierten die Teilnehmer*innen des Tourismusforums in vier Arbeitsgruppen vier Themenbereiche aus dem impluse4travel Manifest.
Diese waren:
- Der Wandel bei Gästen & Erwartungen – Roland Sint (Wörthersee Tourismus)
- Strategie & Geschäftsmodell – Johannes Böhm (Tourismuszukunft – Realizing Progress)
- Unternehmensorganisation & Mitarbeiter – Prof. Stefan Nungesser (FH Kärnten)
- Ökologie & Nachhaltigkeit – Catharina Fischer (Tourismuszukunft – Realizing Progress)
In anderthalb Stunden erarbeiteten die Teilnehmer*innen mit den Moderator*innen tolle Ergebnisse für den Tourismus. In allen Arbeitsgruppen verfolgten wir eine einheitliche Struktur in der Erarbeitung der Ergebnisse. In Vorbereitung auf die Arbeitsgruppen legte ich vier Boards über das Kollaborations-Tool Mural an. In vier Schritten wurden dann mit allen Teilnehmer*innen der jeweiligen Arbeitsgruppen die zentralen Aussagen erarbeitet. Diese teilten wir in eine interne Perspektive (Unternehmen, Organisation), eine Produktperspektive sowie eine externe Perspektive (Kunden) auf. Nachfolgend die wichtigsten Punkte zusammengefasst.
Ergebnisse der Arbeitsgruppe 1 – Der Wandel bei Gästen & Erwartungen:
- Interne Perspektive: Authentizität, Qualitätsmanagement, regionale Netzwerke und Wertschöpfung, Organisation der letzten Meile, Breitband, Tourismusakzeptanz verbessern, Vernetzung, Technologievernetzung
- Produktperspektive: Underpromise & Overdeliver, E-Mobility, Mobilitäts-Angebote, authentische Erlebnisse, Produktinnovation, einzigartige Angebote, Secret Spot
- Externe Perspektive: Glaubwürdigkeit, Einzigartigkeit, Mobilität vor Ort, subjektive Qualität, Live like a Local, Sicherheit
Ergebnisse der Arbeitsgruppe 2 – Strategie & Geschäftsmodell:
- Interne Perspektive: mehr Bewusstsein für die Bedürfnisse der Mitarbeit*innen aufbauen, höherer Stellenwert für Aus- und Weiterbildung, „lebenlanges Lernen“ = neue Soft-Skills werden immer wichtiger, DMOs – Wandel vom Marketing zum Management, stärkere Interaktion mit der lokalen Community, fachliche Vernetzung auf unterschiedlichen Ebenen in DMOs, (politisches) Lobbying für zukunftsfähige Strukturen
- Produktperspektive: Preistransparenz herstellen / Yield-Management regionalisieren ➤ Ziel: Ertragsniveau steigern, um handlungsfähiger zu werden, Schlagwort „Nudging“ ➤ gewünschtes, positives Verhalten incentivieren, bewusste Weiterentwicklung der eigenen Zielgruppen
- Externe Perspektive: Die Mitarbeitenden prägen zentral die Außenwahrnehmung von Regionen und Unternehmen (z.B. über die erlebte Servicequalität), Wertschätzung auf allen Ebenen leben und kommunizieren, Außen- und Innenmarketing müssen Hand in Hand gehen
Ergebnisse der Arbeitsgruppe 3 – Unternehmensorganisation & Mitarbeiter:
- Interne Perspektive:
- New Work: Vertrauensarbeitszeit/Rahmenbedingungen im Tourismus schaffen
- New Work: Kooperationen nutzen/ Sharing-Konzepte nutzen, z.B. Reservierung im Hotel
- New Work: Kulturveränderung in KMU-Betrieben notwendig, Umsetzungschancen nutzen, um attraktiv zu sein
- Emotionales Community-Building gegenüber allen Stakeholdern
- Resilienz der Organisation und Mitarbeitenden: Fehlerkultur implementieren und leben
- Health-oriented Leadership leben bzw. vorleben
- Kombination aus Präsenz und digital für Bildung und Weiterbildung (lebenslanges Lernen)
- Lehre/Ausbildung: bessere Verzahnung von Praxis und Schule (digitale Formate nutzen)
Da sich diese Arbeitsgruppe im Fokus mit dem Thema Unternehmensorganisation und Mitarbeiter befasste, wurde nur die interne Perspektive eingenommen.
Ergebnisse der Arbeitsgruppe 4 – Ökologie und Nachhaltigkeit:
- Interne Perspektive: Ökologie muss messbar werden, niederschwellige Beratung zum Thema anbieten, bestehende QS-Systeme vernetzen/verbinden und das entlang der gesamten Wertschöpfungskette, Akteure ins Change Management einbinden, Vernetzung regional schaffen
- Produktperspektive: Preis pro Teilnehmer muss steigen, keine Masse, sondern Klasse, asiatische Verhaltensweisen überdenken (1 Woche = 7 Stationen)
- Externe Perspektive: Kunde aufklären/offen kommunizieren, Sichtbarkeit erzeugen und Wert des Angebots kommunizieren, Beziehungen erzeugen und in den Vordergrund stellen = Vermarktung über Personen, nicht Preise
Wenn Ihr genauer in die Ergebnisse einsteigen wollt, dann könnt Ihr die Präsentation der Arbeitsgruppen noch einmal auf YouTube ansehen:
Expertenrunden und Live-Reportage zum Tourismusforum
Am Nachmittag der europäischen Toleranzgespräche fanden zwei spannende Diskussionsrunden zu den Themen „Die neue Realität im Tourismus“ und „Die neue Ethik im Tourismus“ statt.
Die erste Gesprächsrunde eröffnete Sarah Twardella (vitalpin) mit einen Vortrag zum Thema „Wieso Respekt und Achtsamkeit? Brücken bauen zum Miteinander in den Alpen: Mit Strategie zur Nachhaltigkeit“. Danach ging es in den Austausch zum Thema Resonanz im Tourismus mit mir, Sarah Twardella, Tourismusforscher Peter Zellmann und Reiseveranstalterin Elisabeth Kneissl-Neumayer.
Reinschauen könnt Ihr hier:
Den Abschluss des Tages machte eine spannende Runde zur Ethik im Tourismus. Kerstin Dohnal (destination:development) sprach über Fair Business: Warum Nachhaltigkeit zählt – Neue Spielregeln für globale Reisen. Mit ihr diskutierten danach Johannes Böhm, Isabella Klien (ecogood), Iris Straßer (Verantwortung zeigen), Hannes Royer (Land schafft Leben) und Hotelier Georg Pastuszyn. Das Thema: Teilen statt Beanspruchen: Wie gerecht ist die Tourismuswirtschaft?
Dieses höchst inspirierende Gespräch, wie Fairplay in der Praxis funktionieren könnte, könnt ihr hier ansehen:
Das gesamte Tourismusforum im Rahmen der europäischen Toleranzgespräche 2021 gibt es dank Günter auch als Reportage zum Nachlesen. In diesem Livebericht findet Ihr alle Highlights sowie Kernaussagen des Tages. Hier geht es zur Reportage.