Eigentlich wollte ich zu dem Thema nichts mehr schreiben. Wirklich nicht. Denn seit 2012 begleitet mich das Thema Influencer Marketing. Damals sprach man noch von Travel Bloggern, und es wurde darüber schon sehr viel und in vielfältiger Art und Weise geschrieben. Travel Blogger gibt es übrigens immer noch, doch haben neue Plattformen – Blogs sind ja doch schon etwas älter – und neue Content-Formate auch eine neue Art der Meinungsführer (Content Creators oder eben halt Influencer) hervorgebracht. Bezeichnungen gibt es also genügend.
Letzte Woche änderte sich jedoch meine Meinung. Da teilte mein Kollege Günter einen interessanten Artikel aus der W&V von André Krüger. Headline dieses Artikels: „Das Influencer Marketing ist kaputt“. Darin findet sich der Aufruf „lasst es uns reparieren“. Viele der darin genannten Probleme in Bezug auf die aktuelle Lage am Influencer-Markt stimmen, das steht außer Frage. Jedoch greift die Betrachtung aus meiner Sicht zu kurz – ganz ähnlich wie in unzähligen anderen Artikeln – denn es wird schwerpunktmäßig der Influencer-Markt kritisch beleuchtet und weniger die Seite der Nachfrager. Das finde ich ehrlich gesagt sehr schade, weil es das Bild weiter einseitig trübt.
Es gibt nicht nur Fake News, sondern auch Fake Influencer
Es ist unstrittig, dass es einige ‚Influencer-Sternchen’ gibt, die nicht mit ehrlicher Berichterstattung bzw. photographischen Höchstleitungen ihre Follower bekommen haben und zudem auch nicht selbst tagtäglich ihren Account pflegen. Es ist auch richtig, dass es diverse Communities innerhalb der Influencer-Welt gibt, die dafür sorgen, dass Fotos auf Instagram entsprechende Reichweiten bekommen. Die simple Social Media-Logik – Liken, Kommentieren und Sharen – macht es möglich. Ich kenne einige Protagonisten, die nicht nur einen Account haben – und das aus gutem Grund.
Und nun? Warten, bis die schwarzen Schafe von alleine verschwinden und man nur mit „ehrlichen“ Influencern in Kontakt kommt?
Wäre es nicht eher nötig, auf der Nachfrageseite umzudenken?
Wie auch im oben erwähnten Artikel aufgeführt, sind in den letzten Monaten diverse Influencer-Agenturen mit großen Datenbanken aus dem Boden geschossen sowie Plattformen, auf denen man Kampagnen fast automatisiert abwickeln kann. Warum ist das so? Weil es eine Nachfrage dafür gibt – und das haben auch einige pfiffige Influencer erkannt bzw. Leute, die sich als solche bezeichnen. Ich erlebe es immer wieder, dass Zahlen mehr wiegen als die Person, die dahintersteht. Auf Fragen wie:
- Warum wollen Sie mit Influencern zusammen arbeiten?
- Wer passt zu Ihrem Unternehmen und warum?
- Haben Sie sich den Account desjenigen schon einmal angesehen und wissen Sie, wie er oder sie kommuniziert?
- Wissen Sie, wer die Zielgruppe des Influencers ist?
bekomme ich von interessierten Unternehmen selten eine direkte Antwort.
Überwiegend zählen Follower, Reichweiten und idealerweise noch Erwähnungen in Auflistungen von Marketing-Blogs. Sicher überzeichne ich etwas, doch das ist mehrheitlich die Nachfrageseite.
Influencer Marketing ist ein Teil des Social Media Marketings
Auch wenn das sicher jetzt etwas wie aus dem Schulbuch klingt – sorry – doch: Influencer Marketing ist ein Teil des Social Media Marketings – und Social Media bedeutet Kommunikation zwischen Menschen. Diese lässt sich nicht erfolgreich automatisieren oder aus Datenbanken heraus buchen. Technisch ist das zwar alles möglich, jedoch widerspricht es dem zentralen Erfolgsfaktor von Social Media Marketing: Interaktion (und damit Erfolg) durch persönliche sowie authentische Kommunikation.
Wie schon Jay Baer sagte: „Stop doing Marketing at people and start doing Marketing with people.“
Wegen des „with people“ funktioniert Influencer Marketing. Sie, die Influencer, stehen im ständigen Kontakt zu ihrer Community und haben deren Vertrauen. Ein Vertrauen, über das viele Unternehmen nicht verfügen.
Wer Influencer Marketing – und da sind wir leider mehrheitlich angekommen – daher weiterhin nur als ein zusätzliches Marketing-Instrument versteht bzw. behandelt, wird scheitern. Es ist nicht mit einer oder zwei Kampagnen getan, für die man mal einen Influencer ‚bucht’, der möglichst bekannt ist und viele Follower hat. Über diesen platziert man dann soviel Branded Content wie möglich oder versucht, sich in ein oder zwei Posts reinzukaufen. Man muss sich das mal vorstellen: Was will man mit zwei oder, sagen wir, vier gekauften Posts auf einem augenscheinlich starken Account auf Instagram? Was soll das? Das ist überhaupt nicht nachhaltig und wird in der Flut an Content lautlos untergehen.
Influencer Marketing bedeutet Arbeit (so blöd das klingt)
Influencer Marketing bedeutet Arbeit – und das ist, glaube ich, die eigentliche Herausforderung. Ich persönlich kenne viele Influencer seit mehr als 5 Jahren und verfolge ihre Arbeit kontinuierlich. Es reicht nicht, eine Agentur zu engagieren oder eine Datenbank zu durchsuchen und dann sinnbildlich auf „beauftragen“ zu drücken. Um das volle Potenzial einer Zusammenarbeit mit Meinungsführern – und das können Blogger, talentierte Photographen auf Instagram oder interessante Persönlichkeiten auf YouTube sein – auszuschöpfen, muss ich mich mit den jeweiligen Akteuren auseinandersetzen. Wie vor etlichen Jahren Journalistenkontakte aufgebaut wurden, muss man heute Beziehungen zu geeigneten Influencern aufbauen und pflegen.
Fazit
Insofern geht es aus meiner Sicht nicht um das Reparieren, sondern darum, die richtigen Fragen zu stellen und den Wert jedes Influencers – also primär den direkten Kontakt zu potentiellen Kunden – sinnvoll im Kontext eines ganzheitlichen Social Media Marketings einzusetzen. Dieser Wert misst sich zuallererst nicht in Followerzahlen oder Reichweite, sondern im Zugang zur und der Interaktion mit der Community.
Interaktionsstarke und „ehrlich“ agierende Meinungsführer gibt es schon seit Jahren. Es ist Aufgabe der Nachfrager, mit diesen direkt in Kontakt zu treten und langfristig auf Augenhöhe zusammenzuarbeiten.* Die weniger hellen „Sternchen“ am Influencer-Himmel verschwinden von ganz allein, da ihre Identität und „Businesskonzepte“ oftmals auf einem wenig stabilen Fundament stehen.
Daher: Lasst uns nicht reparieren, sondern anfangen, nachhaltig zu agieren!
*Wir als Berater können dabei unterstützen und damit den Weg ebenen. Beziehungen müssen die Unternehmen selbst aufbauen.