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Interview André Kretzschmar: „Es braucht sehr spezialisierte Fachkra?fte.“

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Catharina Fischer17. Nov 2016

Nach Tobias Woitendorf konnten wir André Kretzschmar, Leiter der Tourismuszentrale Stralsund, zu den 13 Thesen zur Zukunft des öffentlichen Tourismusmarketings befragen. 

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Herr Kretzschmar sieht die DMO als Visions-Entwickler, Werte-Schu?tzer und Marken-Fu?hrer mit dem Bewusstsein, dass noch viel Aufklärungsarbeit zu leisten ist, um diese Rolle zu schärfen. Für ihn steht momentan der Aufbau einer zukunftsgerichteten Arbeitsorganisation im Mittelpunkt aller Überlegungen.

 

Tourismuszukunft: Was war Ihr erster Gedanke nach Durchsicht der 13 Thesen?

André Kretzschmar: Beim Lesen des Titels dachte ich: „Ach bitte nicht noch mehr Thesen zur U?berflu?ssigkeit von Tourismusorganisationen in dieser scho?nen neuen digitalen Welt.“ Bei der Auseinandersetzung mit dem Inhalt war aber schnell zu erkennen, dass es bei diesen Thesen glu?cklicherweise nicht darum geht, nur den Spiegel vorzuhalten und Defizite aufzuzeigen. Man spu?rt vielmehr die Intention Antworten auf neue An- und Herausforderungen zu geben.

Tourismuszukunft: Welche angesprochenen Punkte innerhalb der Thesen sind fu?r Sie im Hinblick auf eine zukunftweisende Entwicklung die relevantesten?

André Kretzschmar: Es sind die Punkte 1, 6, 9, 11 und 7/8. Und zwar genau in dieser Reihenfolge. Denn diese Punkte beantworten in meinen Augen die Frage nach der essentiellen Aufgabe der DMO recht pra?zise. Reduziert man diese Punkte auf ihre Kernaussage, erha?lt man folgende Funktionsbeschreibung: Die DMO ist Visions-Entwickler, Werte-Schu?tzer und Marken-Fu?hrer, die mit einer digitalen Dateninfrastruktur authentische – also mehr auf Identita?t als Image basierende – Qualita?tsprodukte distribuiert. Als Kernaufgabe ku?nftigen (und eigentlich bereits jetzigen) Destinations- oder auch Standortmarketings ist das fu?r mich absolut plausibel.

Natu?rlich ko?nnen und werden sich, aus horizontaler oder vertikaler Distribution ergebende, Aufgaben daran angliedern. Dies und das WIE wird in den anderen Thesen gut umrissen.

Tourismuszukunft: Was ist nach Ihrer Meinung entscheidend, damit ein zukunftsgerichteter Wandel u?berhaupt stattfinden kann?

André Kretzschmar: Tourismusorganisationen sind – wenngleich mit unterschiedlicher regionaler Auspra?gung – recht stark vertriebsorientiert ausgerichtet. Oft basieren Finanzierungsstrategien zu einem hohen Grad auf, von der Organisation selbst erwirtschafteten, Eigenmitteln. Dies schafft Abha?ngigkeiten, la?uft Gefahr zum Selbstzweck zu werden und fu?hrt durch die rasante Digitalisierung des touristischen Marktplatzes dazu, dass Konkurrenzsituationen entstehen, denen diese Organisationen nicht gewachsen sind. Die aus den Thesen abgeleitete Kernaufgabe aus Frage 2 la?sst sich mit einem solchen Finanzierungshintergrund schlichtweg nicht erfu?llen.

Und selbst wenn Touristiker dieses Problem la?ngst ausgemacht haben, wird das nicht automatisch auch von den Akteuren wahrgenommen, die politische Verantwortung fu?r o?ffentlich finanziertes Tourismusmarketing tragen. Es ist also neben der eigentlichen Aufgabenstellung Standortmarketing viel Aufkla?rungsarbeit zu leisten, um Tourismusmarketing mit dieser „neuen“ Ta?tigkeitsbeschreibung als freiwillige kommunale Leistung zukunftsfa?hig auszurichten und zu finanzieren.

Tourismuszukunft: Welche Ableitungen aus den 13 Thesen ergeben sich unmittelbar fu?r Ihre Organisation?

André Kretzschmar: Als o?rtliche Tourismuszentrale sind wir neben der Vermarktung der Destination natu?rlich intensiv mit der Ga?stebetreuung bescha?ftigt. Tatsa?chlich nimmt diese Ta?tigkeit den gro?ßten Raum ein. Umso wichtiger ist es, uns im Bereich des Destinationsmarketing effektiv aufzustellen.

Wir stellen die Frage: Welche Aufgaben kann, muss, oder sollte ich im Unternehmen selbst wahrnehmen und welche erbringe ich unter Zuhilfenahme von Partnern wie zum Beispiel u?bergeordneten Tourismusorganisationen oder Agenturen und Freiberuflern. Denn um den Herausforderungen der Digitalisierung auf Augenho?he begegnen zu ko?nnen braucht es sehr spezialisierte Fachkra?fte. Profis, die nicht nur zum Zeitpunkt Ihrer Einstellung auf der Ho?he der Zeit sind, sondern es auch bleiben.

Das stellt große Anforderungen nicht nur an die Mitarbeiter, sondern auch und vor allem an das Unternehmen. Es gibt Aufgaben die zwingend vor Ort erledigt werden mu?ssen – bei denen lokales Wissen und Handeln den entscheidenden Vorsprung ausmacht – und es gibt Aufgaben, bei denen es u?berhaupt keine Rolle spielt wo sie erledigt werden. Vor diesem Hintergrund steht fu?r uns aktuell also die Frage nach der Arbeitsorganisation (und natu?rlich der Finanzierung dieser Aufgaben) im Mittelpunkt aller U?berlegungen.

Tourismuszukunft: Wie sieht nach Ihrer Meinung die Standortvermarktung 2020 aus?

André Kretzschmar: Nun, 2020 ist in ziemlich genau 3 Jahren. Mir fehlt der Glaube an eine vollsta?ndig vera?nderte Situation des o?ffentlich finanzierten Tourismusmarketings in so kurzer Zeit. Doch es wird mehr Orte und Regionen geben, die sich mit zukunftssicherer Finanzierung und effektiven Netzwerken an die sich vera?ndernden Rahmenbedingungen angepasst haben. Je erfolgreicher diese Orte und Regionen in der Vermarktung ihres touristischen Produktes bis dahin sind, desto schneller werden andere diese Strukturen und Aufgaben fu?r die eigene Organisation u?bernehmen.

Zur Person:

André Kretzschmar leitet seit 2010 die Tourismuszentrale Stralsund. Vorherige Stationen waren die Usedom Tourismus GmbH sowie der Tourismusverband Vorpommern. 

André Kretzschmar, Leiter der Tourismuszentrale Stralsund
André Kretzschmar, Leiter der Tourismuszentrale Stralsund
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Catharina Fischer NEUES DENKEN I STRATEGIN I NACHHALTIGKEIT

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