Bis vor einiger Zeit durfte ich eine sehr spannende Diplomarbeit von Michael Huth betreuen. Nun ist die Arbeit fertig und abgegeben – Zeit einige Schlüsselaspekte daraus in einem Blogartikel vorzustellen. In seiner Diplomarbeit, die Michael in Zusammenarbeit mit uns vom Tourismuszukunft – Institut für eTourismus geschrieben hat, setzt er sich sozialwissenschaftlich mit virtuellen Netzwerken und deren Bedeutung am Beispiel von Reiseveranstaltern auseinander.
Das Internet hat zu einer tiefgreifenden Umstrukturierung der Tourismuswirtschaft beigetragen. Klassische, statisch oder traditionell agierende Reisebüros haben dabei schleichend ihr faktisches Vertriebsmonopol für Veranstalter-Reisen verloren und drohen aus dem Markt gedrängt zu werden. Die Art der Informationsgewinnung ist einem starken Wandel unterworfen: Während früher Reisebüros, Freunde und Bekannte die Hauptinformationsquellen für Reiseentscheidungen darstellten, wird heute das Internet sehr intensiv für Reiseplanungszwecke genutzt. Soziale Netzwerke verlagern sich mit dem ihnen innewohnenden sozialen Kapital mit dessen Multiplikatoreffekt in Online-Communities wie Facebook. Einen wichtigen Effekt stellen besonders für den Tourismus Erfahrungen und Emotionen dar, welche dort mühelos über elektronische word-of-mouth Kommunikation weitergegeben werden. Diese brand advocacy kann das intangible Produkt »Reise« greifbar machen.
Über Social Media wird – im Gegensatz zum klassischen Marketing – die Möglichkeit der wechselseitigen Kommunikation genutzt. Eine Folge ist, dass Marken nicht mehr allein top-down steuerbar sind: Die Unternehmung muss damit leben, dass andere Akteure im Internet auch über das Produkt und über die Marke sprechen. Über eine Marke, die durch Gespräche und Geschichten entsteht, kann man sich im Gegensatz zur Produktqualität von Mitbewerbern abgrenzen. Dies lässt sich gut in virtuellen sozialen Netzwerken positionieren. Eine weitere Folge ist, dass sich Bereiche wie Unternehmenskommunikation und Marketing sowohl in ihrer Zielausrichtung, als auch in ihrer internen Struktur verlagern. Dadurch entsteht ein Druck auf die Reiseveranstalter, bei der Produktion von sozialen Inhalten mitzuwirken und diese so zu steuern, dass die Buchung auch weiterhin auf deren Portal stattfindet.
Ich habe mich der Thematik anhand von qualitativen Interviews mit Experten aus Wissenschaft, Beratung und Medien genähert. Daraus leitete ich Chancen, Risiken und Hemmnisse ab. Parallel dazu habe ich Vertreter von Reiseveranstaltern interviewt und diese Ergebnisse für eine kleine Fallstudie genutzt.
Reiseveranstalter müssen folglich in der Art und Weise umdenken, wie sie Suchmaschinenoptimierung und ihren Vertrieb betreiben. So sollten sie diese um eine »Social Search Optimazation«, also dem Einbezug der sozialen Inhalte, erweitern. Dabei müssen sie sich in eine Richtung aufstellen und sich Strategien überlegen, wie sie auf den User Generated Content reagieren, der ihnen buchungsrelevante Plätze innerhalb der Suchmaschine wegnimmt. Mitarbeiter müssen vorbereitet und geschult werden, damit sie auch im Kundendialog interaktiv partizipieren können. Des Weiteren müssen Möglichkeiten der aktiven Kommunikation im Social Web durch die Nutzung eigener und extern betriebener Dienste geprüft werden. Dem Unternehmen muss es gelingen, eine gewisse kritische Masse zu überwinden. Spezielle Zielgruppen, die über virale Kampagnen bekannt gemacht werden, können neue Kontakte generieren. Produktverbesserungsplattformen bieten potentiellen Kunden die Möglichkeit, sich über aktuelle und künftige Leistungen des Unternehmens zu äußern. Die Umwandlung der Bindungen von potentiellen zu aktuellen ties sowie die Fähigkeit, diese zu formen, beizubehalten und auszunutzen, sind sehr wertvolle Posten für Unternehmen und Individuen. Firmen können auf Facebook fortgeschrittene Tools entwickeln, die Mitgliedern erlauben, ihre Netzwerke aktiv auszunutzen, indem sie sie auf vielerlei Art und Weise um Assistenz fragen.
In der Fallstudie zeigte sich, dass gerade bei größeren Veranstaltern die Potentiale des social web noch wenig genutzt werden. Probleme werden darin gesehen, dass andere Unternehmen, die nicht aus dem touristischen Sektor kommen, den User ebenfalls gerne in diesem Bereich abholen würden. Die Erreichbarkeit des Kunden werde zunehmend schwieriger und die Präsenz in virtuellen sozialen Netzwerken kann – ähnlich wie der Newsletter – im Zuge des Informationsüberschusses ein Randdasein führen. Es wird weiter befürchtet, dass Kunden nicht in der Lage sind, sich ein generelles Urteil über die gelesenen Bewertungen zu bilden und Versuche der individuellen Kundenbetreuung gar Reaktanz auslösen könnten, weil sich Kunden beobachtet fühlen könnten. Außerdem wird vermutet, dass Kunden teilweise noch starke Vorbehalte gegenüber dem Medium haben könnten. Die Furcht vor einem verwaisten Auftritt in sozialen Medien oder auch vor negativem Feedback und gefälschten Berichten hindert viele Unternehmen daran, auf das Social Web zu setzen.
@Michael – herzlichen Dank für dein Engagement und den Artikel!
Viele Grüße,
Daniel