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„Die Bevölkerung muss eine gemeinsame Identität haben“ – Learnings aus unserem ZukunftsIMPULS zum Thema Lebensraum

Allgäu, Lebensraum, ZukunftsIMPULS

Unser erster ZukunftsIMPULS im Jahr 2022 hatte den Begriff „Lebensraum“ zum Thema. Wir wollten wissen, was ihr darunter versteht und haben uns außerdem mit der Allgäu GmbH einen Player eingeladen, der das Thema schon lange integriert denkt. Nach 1,5 Stunden waren wir sowohl von eurem Interesse als auch von der Qualität der Diskussion überwältigt. Für alle, die nicht dabei sein konnten und für alle, die noch mal in Ruhe nachlesen wollen, gibt es hier eine Zusammenfassung.

Was bedeutet „Lebensraum“ überhaupt?

Von den Teilnehmenden in unserer Runde wurden folgende, sehr vielfältige Stichworte zur Einordnung genannt:

Ergebnis unserer Schnellumfrage: Welche 3 Stichworte fallen dir zum Thema „Lebensraum“ ein?

Dass der Begriff „Lebensraum“ einerseits gerade ein Modewort ist, andererseits aber noch nicht wirklich klar ist, wie DMOs zur Verbesserung der Lebensqualität für alle Menschen in einer Destination beitragen können (oder wie diese überhaupt gemessen werden kann), hat sicher zum großen Interesse an unserer Veranstaltung beigetragen. Und es hat gezeigt: Der Tourismus muss sich wandeln. Reines Incoming, ohne die ökonomische, ökologische und soziale Nachhaltigkeit zu vereinen, wird in Zukunft nicht mehr funktionieren. Und auch eine rein touristische Infrastrukturentwicklung ohne Rücksicht auf die Bevölkerung wird nicht mehr akzeptiert werden.

Das hat die Allgäu GmbH als eine der ersten Destinationen im deutschsprachigen Raum erkannt. Darum konnte Marketingchef Stefan Egenter auch auf einen breiten Erfahrungsschatz zurückgreifen und uns viele Beispiele nennen, wie sich Tourismus und Bevölkerung zusammen entwickeln lassen können. Und natürlich auch, wo die Herausforderungen liegen.

Unsere Erkenntnisse

Nach Stefans Vortrag und einer – sowohl im Chat als auch im direkten Gespräch – sehr angeregten Diskussion (wir konnten unseren vorbereiteten Workshopteil gar nicht mehr unterbringen) waren unsere Gäst*innen und auch wir um einige Erkenntnisse reicher.

Eine gemeinsame Identität ist Voraussetzung

Aus dem Chat: „Und natürlich muss die Bevölkerung eine gemeinsame Identität haben.“

Nur in Regionen, in denen es eine gemeinsame gelebte Identität gibt, lässt sich das Thema Lebensraumgestaltung umfassend spielen. Diese Identität muss in Lebensraumprozessen herausgearbeitet und weiterentwickelt werden.

Aus dem Chat: „Im besten Fall stimmt das Bild von Lebensraum, also auch das Bild der Einheimischen, mit dem Bild der Destination zusammen. Aber vor allem über alle Bereiche hinweg: Place Branding ohne Place making ist ‚hohl‘. Menschen merken Marken durch Leistung.“

Die Bevölkerung vor Ort mitnehmen – zum Beispiel über die offene Kommunikation über Stadtentwicklungsprojekte (Foto: Greg Snell)

Wir müssen Status Quo und Erfolg messen

Aus dem Chat: „Im Rahmen der neuen touristischen Identitätsfindung, unter Berücksichtigung der Nachhaltigkeit, werden wir uns auch der Fragestellung nach ’neuen‘ KPIs stellen müssen… Es braucht Botschafter für den ‚Lebensraum-Tourismus‘ und damit das Öffnen für eine neue Form des Miteinanders und Sichtweisen.“

Übernachtungszahlen und BIP haben ausgedient. Wir brauchen neue KPIs für den Erfolg von Regionen und Destinationen und müssen diese umfassend und kontinuierlich messen. Nur so wissen wir, wo und wir wir uns weiterentwickeln können.

Silos waren gestern

Aus dem Chat: „Was ich in diesem Zusammenhang wichtig finde, ich das Verschränken der unterschiedlichen Perspektiven und Bedürfnisse der einzelnen Stakeholder eines ‚Raumes‘, und nicht so sehr eine Aneinanderreihung.“

Für den Erfolg von Lebensräumen sind nicht nur DMOs zuständig. Es braucht Verkehrsgesellschaften, Wirtschaftsförderungen, Stadtentwickler*innen, soziale Einrichtungen und Kultur. Und alle an einem Tisch.

Aus dem Chat: „Mal so ganz zugespitzt: ist der ‚Begriff‘ Lebensraum nicht einfach nur ein Modewort für Tourismusorganisationen, um die Bedeutung der Bedeutung zu betonen. Dabei sitzt man oftmals bei der wirklichen Lebensraumgestaltung (Flächenentwicklungsplanungen, Mobilitätsplanungen, Schul- und Bildungsentwicklung, Infrastrukturen etc.) nur am ‚Katzentisch‘.“

Der politische Wille ist notwendig

Aus dem Chat: „Wesentlicher Erfolgsfaktor: der politische Wille!“

Wir können noch so viele grandiose Konzepte erarbeiten – wenn sie in den Schubladen der politischen Entscheider*innen verstauben, sind sie sinnlos. Der politische Wille und der Mut, eine Destination strategisch weiterzuentwickeln, sind unbedingt notwendig. Kleiner Reminder an alle, die gerade nicht in einem Bürgermeister*innen-Büro sitzen: Politische Willensbildung ist vielfältig und gewählte Politiker*innen lassen sich von einer breiten, gut artikulierten Aufbruchsstimmung gerne mitnehmen.

Die Akteur*innen und die Bevölkerung vor Ort mitnehmen – auch wenn sie nicht aktiv auf einer Mitnahme-Bank sitzen (Foto: Greg Snell)

Kommunikation ist King

Willensbildung und Aushandlungsprozesse sind zäh – vor allem, wenn sie so komplexe Themen wie die Lebensraumgestaltung betreffen. Aber sie lohnen sich, die Ergebnisse sind dann umso nachhaltiger. Darum: Kommuniziert, was das Zeug hält, geht raus auf den Marktplatz, sprecht mit Gäst*innen und Bevölkerung.

Aus dem Chat: „Der Aussage würde ich zustimmen, hier geht es ja in erster Linie um die geschickte Vermarktung und Außendarstellung. Ich würde es sehr begrüßen, wenn grundsätzlich die ‚wirkliche Lebensraumgestaltung‘ (wie oben genannt) das Thema Tourismus und Attraktivität beinhalten würde. Natürlich kann der Tourismus zur Verbesserung des Lebensraumes beitragen, ist dabei wohl aber eher Impulsgeber.“

Sei anders – sei du selbst

Aus dem Chat: „Allgäu ist ja auch mehr eine Haltung als eine Landschaft :-)“

Was für Menschen gilt, gilt für Regionen schon lange: Jede*r ist anders und muss seinen oder ihren individuellen Weg finden. Mach dein Ding, denke out-of-the-box und verlasse dich auf deine Werte und Überzeugungen.

Aus dem Chat: „Kann man feststellen, dass es Destinationen am einfachsten fällt, sich auf EINE Marke zu einigen, die eine gewisse Homogenität oder Nähe der Branchen untereinander haben?“

Open Week CC-BY-SA Allgäu GmbH, Christiane Glöggler
Open Week (CC-BY-SA Allgäu GmbH, Christiane Glöggler)

Vorfreude auf die OpenWeek

Nach diesem unglaublich interessanten ZukunftsIMPULS freuen wir uns umso mehr auf unsere OpenWeek. Vom 28. Mai bis 4. Juni 2022 werden wir im Allgäu gemeinsam mit weiteren 50 Pionier*innen und Visionär*innen das Thema Lebensräume neu denken. Bist du dabei? Dann hier lang!

Kleiner Disclaimer zum Begriff Lebensraum

Wir sind auch im Kontext dieser Veranstaltung von euch mit der Geschichte des Begriffs „Lebensraum“ konfrontiert worden und natürlich ist uns diese bewusst. Trotzdem haben wir bewusst entschieden, ihn zu verwenden, weil er treffender ist als jeder andere. Warum wir so entschieden haben? Das erklärt der von uns sehr geschätzte Christian Felber in seinem Buch „Gemeinwohlökonomie“ (Vorwort erweiterte Neuauflage) besser, als wir das je könnten:

„Allen großen Begriffen ist gemein, dass sie begehrt sind. Unterschiedliche Akteure und Regime vereinnahmen sie für ihre Zwecke und Interessen. […] Das sollte aber kein Argument dagegen sein, den an sich stimmigen und trefflichen Begriff weiter zu verwenden. […] Die besten Begriffe unterliegen der größten Vereinnahmungsgefahr […]. Das soll uns achtsam machen. Wir müssen den Begriff aber deshalb nicht verwerfen.“

Felber spricht hier übrigens vom Begriff Gemeinwohl. Für Lebensraum gilt unserer Ansicht nach dasselbe.

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Christoph Aschenbrenner Strategie-Begleiter | Organisations-Designer | Innovations-Coach

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