Habe heute einen recht interessanten Artikel auf dem Blog der Südtiroler Szene gelesen, den ich hier noch etwas ergänzen will mit eigenen Gedanken…
Der Begriff Destination
In Abgrenzung zu anderen Dienstleistungsbranchen können touristische Leistungen vom Gast nur am Ort der Erbringung konsumiert werden. Sowohl aus Sicht der Gäste als auch der touristischen Leistungsträger ist die Destination ein Ort, an dem ein touristisches Angebot entsteht (vgl. Pechlaner 2000, S. 29). In diesem Sinne sollte die Annäherung an die spezifischen Eigenschaften und Strukturen einer Destination unter Berücksichtigung der Perspektive des Gastes und der Anbieter erfolgen.
„Destinationen sind letztendlich diejenigen geographischen Räume, welche der potenzielle Gast als Zielgebiet für seinen Aufenthalt erachtet.“ (zit. nach Kollmann, Pechlaner 1999, S. 76). Grundsätzlich bestimmend für das räumlich-zeitliche Ausmaß einer Destination ist, welche Leistungen und Erlebnisse Touristen im Rahmen ihres Aufenthalts konsumieren wollen (vgl. Leiper 1995, S. 87). Diese Nachfrage von Seiten des Gastes wird wiederum bestimmt durch seine Herkunft, den Reisezweck, sein Reisewissen sowie seine soziokulturelle Prägung (vgl. Bieger 1997, S. 75; vgl. Scherhag 2000, S. 154f) und schlägt sich je nach Zielgruppe in einer völlig unterschiedlichen Vorstellung einer Destination nieder: Eine Destination kann für den Gast ein Hotelresort, eine Stadt, ein Land oder Kontinent sein – je größer dabei die Distanz zwischen Herkunftsort und Destination ist, desto großräumiger wird die Destination klassischerweise aufgefasst (vgl. Pechlaner 2000, S. 31; vgl. Frömbling 1993, S. 111).
Die Definition und Verwaltung einer Destination durch die touristischen Anbieter müsste nach dieser Sichtweise an einer beliebig großen Menge subjektiver und nicht mit Organisationsgrenzen übereinstimmenden Vorstellungen der Gäste scheitern (vgl. Pechlaner 2000, S. 30). Steingrube fordert in diesem Zusammenhang, dass eine Destination am Markt zusätzlich durch ihre an potentielle Gäste gerichtete einheitliche Präsentation und die einheitliche Wahrnehmung durch diese potentiellen Gäste charakterisiert werden sollte (vgl. 2004, S. 442; Laesser 2002, S.81).
Die vorangegangenen Ansätze und die klassische Tourismuswissenschaft definieren die Destination primär über ihre räumliche Abgrenzung – oftmals im Widerspruch zur Wahrnehmung des Gastes.
Das Modell des offenen Netzwerks eignet sich besser zur Abbildung von Destinationen (vgl. Saretzki 2007, S. 288) und löst zugleich die durch die räumliche Abgrenzung bedingten Grenzen zugunsten eines offenen Modells auf:
die einzelnen Akteure im Netzwerk aus Nachfrage und Angebot werden als Knoten, ihre unmittelbaren oder mittelbaren Kooperations-, Kommunikations- und Transaktionsbeziehungen als die sie direkt oder indirekt verbindenden Kanten begriffen. Das Destinationsnetzwerk im eigentlichen Sinne umfasst lediglich die Anbieter; zum Destinationsnetzwerk im weiteren Sinne können bis zu 32 verschiedene Stakeholder, so beispielsweise Gäste , Unterkunftsbetriebe, Attraktionspunkte, Medien und weitere, gerechnet werden. All diese Stakeholder entscheiden nicht zwingend rational, sondern nach komplexen sozialen und individuellen Mustern. Zudem weisen Netzwerke typische Spannungsfelder auf, die ein Verständnis von Destinationen erleichtern: Autonomie und Abhängigkeit, Vertrauen und Kontrolle, Kooperation und Wettbewerb, Flexibilität und Spezifität, Stabilität und Fragilität, Formalität und Informalität (vgl. Sydow 2006, S. 417ff).
Eine wichtige Aufgabe von Wissenschaft und Praxis muss es sein, das komplexe Netzwerk des Tourismus in Wirkungseinheiten zu zerlegen, innerhalb derer der Einsatz von Destinationsorganisationen zu maximalen Effekten für alle beteiligten Stakeholder (Knoten in diesem Cluster des Netzwerkes) führt. Es liegt dabei nahe, nicht mehr nur den Raum als Abgrenzungskriterium zu sehen, sondern Faktoren zu ermitteln, die den Konzentrationszentren von Transaktionen im Netzwerk aus Angebot- und Nachfrage im Tourismus gerecht werden. Abseits von Verwaltungsgrenzen und gewachsenen Strukturen könnten diese durch Transaktionen gebildeten und ständiger Variabilität unterliegenden Cluster die Grundlage für ein visionäres Konzept zur Ausweisung von Destinationen liefern. Ein Ansatz zur Clusterung der Transaktionen im Netzwerk des Tourismus wird im folgenden Kapitel dargestellt.
Destination Management Organisation als Netzwerk-Manager
Tourismusorganisationen sind in der Regel im Verlauf der touristischen Entwicklung eines Ortes oder einer Region gewachsene Einheiten und waren früher vorherrschend kleinräumig organisiert. Heute haben sich vielerorts regionale Zusammenschlüsse entwickelt und lassen sich Organisationen auf lokaler oder regionaler, auf Landes- und auf nationaler Ebene unterscheiden (vgl. Pechlaner 2000, S. 28). Aus einem klassischen Paradigma heraus wird die Tourismusorganisation oft als Marketingvertretung eines geographisch klar abgegrenzten Territoriums und die Destination damit als relativ statisches und kleinräumiges Angebotsnetzwerk verstanden (vgl. Laesser 2002, S. 87).
Um aber der dargestellten Komplexität von Destinationsnetzwerken gerecht zu werden, empfiehlt es sich Tourismusorganisationen als Destination Management Organisationen (DMO) zu begreifen: Destination Management umfasst all diejenigen Aufgaben, die zum Erkennen und Befriedigen der Ansprüche der zahlreichen Stakeholder im Netzwerk der Destination notwendig sind (vgl. Pechlaner 2000, S. 31) und in Folge eine Teilnahme am globalen touristischen Wettbewerb unterstützen (vgl. Schröder 1998, S. 81). Eine Breite von Aufgaben auf der operativen, strategischen und normativen Ebene (vgl. Steingrube 2004, S. 442) ist notwendig, um das wichtigste Ziel einer DMO zu erreichen: eine Destination zu entwickeln, die sich am Markt nachhaltig in Wert setzen lässt.
Netzwerkmanagement ist die grundlegende Erfolgsgröße im Destinationsmanagement, denn durch dezentrale Eigentumsstrukturen, Machtverhältnisse und Innovationen sowie einem Spannungsfeld aus politischen und privatwirtschaftlichen Interessen ergibt sich im Tourismus ein Koordinationsproblem (GOVERNANCE GAP), welches eine zentrale Steuerung unmöglich macht (vgl. Pechlaner 2002, S. 5). Die Kooperationsdichte und damit zusammenhängend auch die Kommunikationsfähigkeit eines Destinationsnetzwerkes ist somit ein entscheidender Erfolgsfaktor für alle dargestellten Aufgaben einer DMO (vgl. Smeral 1997, S. 109; Saretzki 2007, S. 279; Scherhag 2007, S. 351f); so kann beispielsweise eine einheitliche Tourismusplanung nur verwirklicht werden, wenn die Akteure in einer Destination diese auch unterstützen.
Der Ansatz des Netzwerkmanagements unterstützt auch die gezielte Zusammenführung von Nachfrage- und Angebotsnetzwerken (vgl. Laesser 2002, S. 90f). Der variablen Wahrnehmung einer Destination durch den Gast kann nur dadurch begegnet werden, dass sich lokale Produkte untereinander ebenso verknüpfen lassen wie mit überregionalen Komponenten (vgl. Pechlaner 1999, S. 66). Der Transaktionskostenansatz mag in diesem Zusammenhang einen gangbaren Lösungsweg bieten, um zu koordinieren, ob Aufgaben von einer DMO auf lokaler, regionaler, landesweiter oder nationaler Ebene ausgeführt werden: Je zentraler die Aufgabe, desto eher fällt die Aufgabe in eine für einen großen Raum zuständige DMO. Ist die Aufgabe bei geringeren Kosten dezentral lösbar, ist die DMO auf der kleinräumigeren Ebene zuständig (vgl. Pechlaner 2000, S. 36). Dieser Ansatz könnte zur Neuordnung der bestehenden DMOs führen. In weiterer Konsequenz und sicherlich visionären Betrachtungsweise lässt sich der Raum als Angrenzungskriterium durchaus zugunsten anderer Kriterien in Frage stellen: Kriterien zur Neuordnung von Destinationsstrukturen können beispielsweise verhaltens- oder interessenbasierte Cluster von Transaktionen sein.
Der Text entstammt übrigens zu 95% einer Forschungsarbeit von mir… Weiter ausrollen werde ich dieses Thema in meiner Diss… 🙂 Genaueres mal später. Hat dann aber dennoch mit etourism zu tun :).