In der heutigen Zeit haben sich die Aufgaben von Tourismusorganisationen stark verändert. Weg vom reinen Tourismusmarketing, hin zu einem umfassenden Tourismusmanagement und letztlich zum Lebensraummanagement. Ein Paradebeispiel dafür ist für mich die Freiburg Wirtschaft Touristik und Messe GmbH & Co. KG (FWTM), die diese Transformation in Freiburg aktiv vorantreibt und mit ihrem aktuellen Tourismuskonzept auch ein entsprechendes Fundament liefert.
Die Entwicklung des Destinationsmanagements zum Lebensraummanagement
Traditionell lag der Fokus von Tourismusorganisationen auf dem Destinationsmanagement 1.0 und 2.0, also der Information und dem Marketing. Insbesondere die touristischen Gäste standen hierbei im Fokus. Entsprechend bestanden die Aufgaben darin, Touristen anzuziehen und ihnen Informationen bereitzustellen. In den letzten Jahren hat sich diese Ausrichtung jedoch stark verändert und weiterentwickelt:
- Destinationsmanagement 3.0: Management
Der Fokus richtet sich hier noch immer komplett auf den Tourismus. Dabei stehen die Stakeholder im Mittelpunkt, zu denen neben den definierten Zielgruppen innerhalb aller Gäste auch lokale Unternehmen und die Bevölkerung zählen. Ziel ist es, durch gezielte Produktentwicklung und effizientes Daten- und Informationsmanagement eine nachhaltige und verantwortungsvolle Tourismusentwicklung zu fördern. - Destinationsmanagement 4.0: Gemeinwohl
Auf der Stufe des Destinationsmanagements 4.0 steht das Gemeinwohl im Mittelpunkt, die Perspektive richtet sich auf die Verantwortung im Lebensraum. Dabei wird über das klassische Tourismusmanagement hinaus gegangen. Diese Stufe umfasst somit nicht nur die touristischen Aspekte, sondern auch die Lebensqualität der Bevölkerung und den Schutz von Natur und Kultur. Tourismusorganisationen übernehmen hierin eine zentrale Rolle bei der nachhaltigen Entwicklung ihrer Destinationen. Und zwar bewusst, nicht nur um die Grundlage für ökonomische Funktionen des Tourismus sicherzustellen, sondern um einen echten Beitrag zum Gemeinwohl zu leisten. - Lebensraummanagement
Und es geht sogar noch einen Schritt weiter: Beim Lebensraummanagement stehen nicht mehr das Destinationsmanagement und seine Auswirkungen bzw. das Destinationsmanagement und seine Gestaltung im Mittelpunkt allen Tuns. Stattdessen wird tatsächlich ganzheitlich gedacht und gearbeitet – das Erkenntnisobjekt ist hier die regionale oder städtische Entwicklung der Lebensqualität, für Gäste und Einheimische. Der Tourismus ist hier „nur noch“ ein wichtiger Teil des großen Ganzen.
Wie kann so eine Entwicklung aussehen? Beispiel Freiburg
Woher generell die steigende Verantwortung von Unternehmen sowie touristischen Organisationen gegenüber der Bevölkerung vor Ort sowie dem Natur- und Kulturraum kommt? Weil es immer mehr Bewusstsein für das enge Zusammenspiel aller Sparten gibt. Weil es eben nicht nur um Wirtschaftskraft, sondern auch um Lebensqualität geht. Wenn sich beides gegenseitig ergänzt – perfekt!
Lass uns einmal einen Blick auf Freiburg werfen. Bereits mit dem Tourismuskonzept 2019 wurde der Weg vom Destinationsmanagement 2.0 zu 3.0 geebnet. Eine klar definierte Marke, abgestimmte Zielgruppen (basierend auf den werteorientierten Sinus-Milieus®) verschoben bereits den Fokus vom Marketing mit der reinen Wachstumsperspektive („mehr Gäste!“) hin zum Management mit der Perspektive auf klar definierte Zielgruppen und Stakeholder.
Immer stärker werden jedoch Stakeholder-Management, Produktentwicklung und Datenmanagement dazu eingesetzt, um nicht nur die Zielgruppen zufrieden zu stellen, sondern stattdessen den Tourismus in Einklang mit den Bedürfnissen der Stadt und ihrer Bewohner*innen zu gestalten. Im Tourismuskonzept 2024 von Freiburg finden sich entsprechend Schlüsselprojekte wie „Begegnungsstätten und Workation-Infrastruktur“, „Stadtteile/Ortschaften mit nachhaltigen Mobilitätskonzepten erlebbar machen“ oder auch „Bewegungsdaten“ als Grundlage für eine bessere Lenkung von Gästen und auch Einwohner*innen.
Alleine die Namen dieser Schlüsselprojekte machen bereits deutlich: Ein solcher breiterer Fokus erfordert eine enge Zusammenarbeit mit verschiedenen Akteurinnen und Akteuren, seien es Verkehrs- und Transportunternehmen, das Amt für Digitales und IT (Digit) oder auch das Garten- und Tiefbauamt (GuT) bzw. das Stadtplanungsamt der Stadtverwaltung Freiburg.
Und dabei zeichnet sich schon ab: Diese engere Zusammenarbeit zwischen den Institutionen und Ämtern führt zu mehr gemeinsamer Gestaltung der touristischen Infrastruktur.
Infrastruktur ist ein gutes Stichwort und führt uns zu dieser Frage:
Können Tourismusorganisationen Infrastruktur? Und vor allem: Sollen Tourismusorganisationen Infrastrukturprojekte machen?
Klar ist: Die FWTM ist sicherlich nicht die Organisation, welche eine Straße „aufreißt“ oder neue Gebäude baut. Aber die FWTM spielt hierbei dennoch eine wesentliche Rolle.
Denn in Freiburg agiert die Tourismusorganisation FWTM verstärkt als Impulsgeber und Kooperationspartner. Dies bedeutet, dass Projekte gemeinsam mit der Stadtverwaltung und anderen relevanten Ämtern umgesetzt werden. Die FWTM unterstützt die Ämter bei Infrastrukturmaßnahmen, welche auch in ihrem eigenen Sinne sind. Das kann personelle sowie kommunikative Unterstützung sein, jedoch ebenso finanzielle Unterstützung. Warum nicht eigenes Budget statt in kurzfristiges Marketing oder in ein einmaliges Event in eine langfristig sinnvolle (touristische) Stadtgestaltung investieren? Die Umsetzung selbst erfolgt selbstverständlich über die Stadtverwaltung und ihre Ämter.
Viele touristische Projekte erfordern eine solche enge Zusammenarbeit mit städtischen Behörden und weiteren Organisationen und Institutionen. Nur so kann wirklich sichergestellt werden, dass die Maßnahmen nachhaltig sind und den Bedürfnissen der lokalen Bevölkerung entsprechen.
Konkretes Infrastruktur-Beispiel: die Bächle in Freiburg
Wer an Freiburg denkt, hat sehr schnell die Bächle vor Augen. Sie schaffen einen angenehmen Lebensraum in der Stadt für Gäste und die Bevölkerung. Und das Wasser wirkt ebenso als Erlebnisfaktor – wobei dabei erst einmal egal ist, ob die Einheimischen beim Weinfest mit den Füßen in den Bächle sitzen oder die touristischen Gäste barfuß durch diese laufen und ihre Urlaubsfotos machen. Mit Blick auf die Herausforderungen des Klimawandels bieten die Bächle zugleich einen Ausgleich zur Hitzeentwicklung in der Stadt.
Aber: In generell trockenen Perioden gibt es normalerweise keinen dauerhaften Wasserfluss in den Bächle. Dies soll im Rahmen des definierten Schlüsselprojektes „19) Wasser: Bächle und Trinkbrunnen“ unter Berücksichtigung sämtlicher relevanter Gesichtspunkte überprüft werden.
Aber was genau heißt in diesem Zusammenhang „überprüfen“? Selbstverständlich werden alle Maßnahmen mit den bestehenden Klimaanpassungskonzepten der Stadt abgestimmt. Die Möglichkeiten der Optimierung der Wasserversorgung, um den Wasserfluss in den Bächle auch bei niedrigem Wasserstand der Dreisam zu gewährleisten, werden überprüft. Falls kein durchgängiger Wasserfluss möglich ist, soll die touristische Kommunikation über die Besonderheit der Wasserversorgung in den Freiburger Bächle und die damit verbundene teilweise Trockenheit gestärkt werden.
Das Ganze erfolgt in enger Abstimmung mit der Stadtverwaltung Freiburg. Insbesondere die Ämter Garten- und Tiefbauamt (GuT), Umweltschutzamt und Stadtplanungsamt sind hiervon betroffen. Doch auch der Energieversorger badenova ist involviert. Und eben auch die FWTM. Die Rolle von letzterer ist in diesem Projekt folgendermaßen definiert:
- Äußern des Bedarfs
- Unterstützung bei der Finanzierung via Anschubfinanzierung
- Kommunikation.
Was dieses Beispiel sehr gut aufzeigt: Natürlich sind die Bächle touristisch relevant. Aber zugleich geht ihre Bedeutung deutlich hierüber hinaus.
Was wir im Laufe der Erarbeitung des Tourismuskonzepts gesehen haben
Tourismusorganisationen wie die FWTM in Freiburg zeigen, wie durch gezielte Kooperation und nachhaltige Projekte sowohl der Tourismus als auch die Lebensqualität der Einheimischen gesteigert werden können. Dabei stehen die Bedürfnisse aller Beteiligten im Vordergrund – auch die weiterer Organisationen und Akteure in der Stadt und Region. Die enge Zusammenarbeit ist dabei der Schlüssel zum Erfolg.
Gemeinsam für eine nachhaltige und lebenswerte Zukunft – das ist die neue Mission der modernen und zukunfsfähigen Tourismusorganisation.