Das Internet entwickelt sich weg von der rein technischen Komponente hin zu einer zusätzlichen sozialen, soziologischen und psychologischen Dimension. Darauf muss die Forschung zukünftig reagieren. Wie das genau aussieht, möchte ich in diesem Artikel ein wenig skizzieren…
Die Schwachstellen der ENTER 2011…
Auf der ENTER 2011, welche ich im Januar 2011 in Innsbruck erstmals besucht habe, war auffallend, wie quantitativ aktuell in der eTourismus Forschung gehandelt, geforscht und auch gedacht wird. Fast alle präsentierten Usecases, Studien, Versuche und Experimente legten einen sehr technologischen, quantitativ geprägten Denkansatz und Forschungsdesign an den Tag. Für den Bereich der technologischen Systeme und Datenbanken mag dieser Ansatz vielleicht eine gute Wahl sein. Jedoch war eines der Schwerpunktthemen auf der ENTER 2011 das Social Web – egal ob in einem praktisch orientierten Vortrag von Visit Britain oder inhaltsanalytischen Forschungen universitärer Kreise. Und dieses Thema KANN NICHT sinnvoll erforscht werden, unter Anwendung des aktuellen Forschungsparadigmas im eTourismus.
Social Web ist mehr …
Social Web ist viel mehr als Technik. Das Social Web ist neben der Technik vor allem geprägt durch soziale und psychologische Ursache-Wirkungs-Komplexe. Die klassische eTourismus-Forschung kann maximal deren Ergebnisse in Ansätzen darstellen, nicht aber Ursachen, Prozesse und Wirkungsketten. Kommunikation ist Handeln, Handeln ist Kommunikation – dies gilt auch für das Reisen im Social Web und es gilt diese Dinge zu verstehen. Fans zählen ist Erbsenzählerei in diesem Kontext. Viel spannender und mein Wunschhorizont für zukünftige Konferenzen im eTourismus, für Blogartikel etc. wäre, diesen soziologischen und psychologischen Vorgängen, dem medialen Wandel, dem medienkulturellen Wandel, der Veränderung von Reisen und der entsprechenden Produktion und Reprodutkion von Imaginationen mehr auf die Spur zu kommen.
Nehmen wir mal ein Beispiel warum ein neues Forschungsparadigma wichtig ist…
Das Ziel jeder Marketingaktion ist letztendlich die Auslösung einer Transaktion im Zielgebiet. Je konversionorientierter die Marketingmaßnahme ist, desto direkter erfolgt diese Transaktion direkt nach der Aktion. Je brandorientierter die Maßnahme ist, desto indirekter erfolgt die Aktion. Social Media ist – virales Ticketing und co. mal außen vorgelassen – oftmals auf nicht konversionorientierte Perspektiven angelegt. Der aktuelle Diskurs darüber bescheinigt auch nur den Maßnahmen Erfolg, die brandorientiert, thematisch orientiert oder durch persönliche Werte getrieben vorgehen UND dabei dialogisch, netzwerkorientiert oder interaktiv agieren.
Nehmen wir mal eine virale Kampagne. Diese löst einen Sturm der Begeisterung in Form von Gefällt mirs, Kommentaren und Shares in Facebook aus. Generiert also Aufmerksamkeit – überwiegend in der virtuellen, kaum in der realen Welt der betroffenen Nutzer. Das Gespräch, die Handlungen und Geschehnisse bleiben oft virtuell. Es gibt irgendwie eine Grenze, die die virtuellen Impacts einer Kampagne von den realen Impacts trennt. Diese Grenze scheint etwas mit Massenträgheit der Kunden, mit fehlender Identifikation der Angesprochenen mit der Kampagne, mit einem Transportverlust von der Virtualität in die Realität zu tun zu haben. Diese Grenze zu sprengen und die virtuelle Begeisterung in reales, konsequentes Handeln zu verschieben – der Traum jedes Marketers.
Lässt sich diese Grenze durch klassische eTourismus Forschung ergründen? – DICKES NEIN. Aber sie zu kennen und zu verstehen wäre beispielsweise eine wichtige Fragestellung. Von dieser Art von Fragestellung gibt es jedoch noch viele weitere – allen gemeinsam ist der Schrei nach einem Paradigmenwechsel in der eTourismus Forschung.