Die kürzlich veröffentliche Corporate Social Map (mehr dazu im Artikel) einer Münchner Firma nehme ich mir zum Anlass, mich etwas ausführlicher mit dem Thema Social Media für Unternehmen und Destinationen auseinander zu setzen. Zu Beginn möchte ich dazu 2 zentrale Thesen in den Raum stellen:
Das klassische Web basiert auf Mechanismen des Print
Touristische Unternehmen und Regionen werben im Onlinebereich bisher hauptsächlich mit klassischen Webseiten und mit Emailnewslettern. In beiden Fällen findet die Kommunikation also one-to-many statt, es gibt einen Sender, der Informationen an einen Empfänger aussendet. Es gibt aber keinen Rückkanal vom Empfänger zum Sender und somit keine echte Kommunikation. Man könnte die These vertreten, dass das Aufkommen des klassischen Internets die Kommunikationsweise des Print übernommen hat. Der Unterschied der klassischen touristischen Seiten besteht in zusätzlichen Services, die ein Gast in Anspruch nehmen kann, so die Buchung oder Reservierung von Leistungen oder datenbankbasierte Vakanzabfragen, Prospektbestellungen und co.
Veränderung Web2.0 > Veränderung Web1.0
Während das Web1.0 die Strukturen des Printmarketings übernommen hatte (veröffentliche Informationen, Rezipienten lesen sie), ist der Übergang zum Web2.0 der wirkliche Wandel, den die digitale Welt im Marketingbereich mit sich bringt. Drei Grundprinzipien des Web2.0 bewirken einen erheblichen Wandel im Internet:
- Architektur des Mitwirkens – Die fortgeschrittene Verbreitung von Breitbandinternet ermöglichen es einer breiteren Masse an Personen, am Web teilzunehmen. Die einfache Bedienbarkeit lassen es zu, dass auch unerfahrene Nutzer die Anwendungen des Web2.0 nutzen. In Folge entstand der Trend zum User generated content – Internetnutzer laden mehr und mehr eigene Inhalte in das Internet und wirken so an dessen Gestaltung mit.
- Architektur des Vernetzens – Die Mechanismen des Web2.0 bewirken, dass a) soziale Netzwerke im Internet als sichtbare Strukturen abgebildet werden und b) Informationen via Tags, Kommentar, Mashup und co. miteinander vernetzt werden. Vernetzung im Web2.0 findet also in Form sozialer Netzwerke und in Form von Themennetzwerken statt.
- Architektur der Kommunikation – Die Web2.0 Anwendungen setzen außerdem in ganz erheblichen Maße auf die Kommunikation zwischen den Nutzern. Diese findet entweder live oder zeitlich versetzt statt und in beiden Fällen räumlich völlig entkoppelt.
Der Wandel zum Web2.0 bewirkt für touristische Unternehmen und Tourismusdestinationen, dass Konsumenten und Gäste nun im Internet über Marken sprechen, sich gegenseitig über Marken informieren und austauschen. Abseits der Kontrolle der Marketingverantwortlichen entsteht eine Flut von Informationen über die eigene Marke. Einerseits existiert auf den eigenen Webseiten ein durch Marketingsprache geschöntes Bild der Marke, auf der anderen Seite stehen ehrliche Urteile von Kunden und Gästen.
Das Web2.0 beisst nicht. Wirklich.
Vielfach wird argumentiert, dass touristische Leistungsträger den Kontrollverlust durch das Web2.0 fürchten und sich deshalb nicht damit auseinandersetzen. Übersetzt auf das reale Leben, hieße das an den über mich lästernden Nachbarn kommentarlos vorbeizulaufen und darauf zu hoffen, dass sich ein Gerücht nicht in der Nachbarschaft verbreitet. Eine Nicht-Auseinandersetzung bedeutet also zuerst einmal eine Missachtung der Interessen des Gastes. Wenn ich als Leistungsträger nicht bereit bin, die Gespräche der Kunden im Web2.0 anzuhören und daran teilzunehmen, so scheint es so, als ob ich kein Interesse an den Gästen zeigen will!?!
Außerdem wird das Web2.0 langfristig und ab einer bestimmten Masse an Bewertungen zu den zu Leistungsträgern verfügbaren Bewertungen dazu führen, dass das Meinungsbild durchaus verlässlich ist. Negative und geschönte Ausreisser können in Folge nicht mehr das Gesamtbild verfälschen, sondern führen zu einer verlässlichen Weise der Information – ehrlicher Information ohne Marketingsprache.
Wie kann der Tourismus mit dem Web2.0 / Social Web umgehen?
Ähnlich zum klassischen Marketing gibt es klare Ziele, welche auch im Social Web / Web2.0 Bereich verfolgt werden müssen: Marktforschung, Produkt- und Kommunikationsdesign, Marketingkommunikation. Im Bereich der Marktforschung heißt das die Beobachtung der Gespräche im Social Web. Diesem Aspekt kann zum Beispiel mit einer Corporate Social Map Rechnung getragen werden, wie kürzlich von Panasonic und der Agentur Ahead of Time gezeigt. Diese Corporate Social Map zeigt die Intensität der Nutzeraktivität auf verschiedenen Web2.0 Plattformen in Bezug auf das analysierte Unternehmen / die analysierte Marke. Deutliche Schwächen zeigt dieser Ansatz aber noch hinsichtlich der Genauigkeit – wer spricht hier, warum wird gesprochen? Mit den entsprechenden Herangehensweisen ist durchaus eine genauere Beobachtung der Social Media Welt möglich. Der nächste Schritt für Tourismusanbieter ist, sich im Social Web auffindbar zu machen, sowohl durch entsprechende Profile als auch durch enstprechende Inhalte, durch Social Bookmarking Funktionen und durch bidirektionale Vernetzung der Web2.0 Inhalte mit den klassischen Webseiten. Als letzter und ressourcenintensivster Schritt gilt die aktive Auseinandersetzung mit dem Web2.0 – Tourismusregionen und -unternehmen können zu potenziellen Interessenten und Multiplikatoren in Kontakt treten, Netzwerke aufbauen und per Empfehlungsmarketing Neukunden gewinnen.
Kritische Worte zur Social Map von AheadofTime
Es empfiehlt sich diesen Artikel der Agentur „AheadofTime“ zu lesen: Hier. Der Artikel schreibt, dass Unternehmen, hier am Beispiel Panasonic, einen digitalen Fussabdruck im Social Web hinterlassen. Nutzer unterhalten sich auf bestimmten Plattformen und Anwendungen des Web2.0 über das Unternehmen Panasonic und seine Produkte. Hier werden ehrliche und offene Konsumentenmeinungen sichtbar und für lange Zeit einer daran interessierten Nutzerschaft zugänglich gemacht.
Der Projektbericht der Firma enthält für mich keinerlei revolutionär neuartigen oder innovativen Aspekte. Einem einleitenden Teil über Grundprinzipien des Social Web folgt eine Überblick über das Thema Social Map. Hinweise auf eine fundierte Auseinandersetzung mit Themen wie „Konzept der Freunde“ oder „Social Graph“ fehlt, hier wird ganz deutlich ziemlich deskriptiv gearbeitet. Eine weitere Schwäche des Social Map Ansatzes von Ahead of Time ist, dass nicht die Qualität der Gespräche und des Contents als Faktor für die Wichtigkeit der Web2.0 Plattformen verwendet wurde, sondern quantitative Daten wie Page-Rank und Nutzerzahl. Ziemlich old-fashioned möchte man meinen und weit weg vom amerikanischen Vorbild des Social Media Marketings.
D.A.