Angesichts des Posts vom Donnerstag und der daraus entstandenen Diskussion, möchte ich das Thema an dieser Stelle ein wenig weiterführen. Zuerst ein paar Worte zur momentanen Lage, dann ein paar Worte zu weiterführenden Sichtweisen.
Ich gehe in diesem Post von der Realität aus, dass die Mehrheit der Tourismusorganisationen bisher vor allem konventionelle Web1.0 Informationsportale betreibt und dies bereits als Onlinestrategie betitelt. Das repräsentiert ein Problemfeld im Tourismus: Nämlich die Langsamkeit, mit der sich Innovationen im Internetbereich verbreiten bzw. akzeptiert werden. Das Internet ist als Medium nicht immer ungeeignet, sondern auch der unzureichende Onlineauftritt einer Destination kann an mangelnden Nutzeneffekten schuld sein. Worauf beruht diese, bei Basicthinking als „timelag“ bezeichnete, verzögerte Verbreitung der Innovationen in DMOs? Ist es das durchschnittlich zu geringe Qualifikationsniveau im Onlinetourismusbereich von Seiten der DMOs, sind es politische bzw. finanzielle Barrieren oder …? Kann man es als „timelag“ im Sinne einer verzögerten Innovationswahrnehmung bezeichnen, oder sind es eher richtige „Innovationsbarrieren“?
Die Onlinestrategie einer DMO könnte bei Betrachtung aus einer ganzheitlichen und innovativen Perspektive mindestens folgende, miteinander in Synergie stehende, Bereiche umfassen:
- Marketing
- Services für den Gast, z.B. Buchung
- Betreuung von Kunden/ CRM
- Destinationsinterne Koordination, z.B. Wissensmanagement
- Marktforschung (ist eigentlich dem Marketing zuzurechnen)
In letzter Zeit wurde ein paar Mal die Frage formuliert, inwieweit intermediäre Buchungsplattformen, Reisecommunities und andere Formen des social web die Destinationsorganisationen überflüssig machen, da sie die Aufgaben im Marketing- und Buchungsbereich dezentralisieren – weg von der DMO hin zu übergreifenden Instanzen des Internets.
In diesem Post möchte ich mich nun auf die Aspekte des Marketings konzentrierens, also dem ersten Punkt der Aufzählung. Wie bereits in meinem Kommentar vom Donnerstag betont, sollte eine Strategie für diese Bereiche zielgerichtet sein: „Mehr Gästeankünfte und Nächtigungen“ sowie „Induzierung maximaler lokaler Effekte“ (max. Umsätze im lokalen Longtail). Dieses Nutzenziel induziert klare Vorgaben fürs Onlinemarketing: Primär geht es darum das Internet als kosteneffizientes Medium zu sehen und alle lohnenden Wege zu nutzen, um potentielle Gäste und die (bzw. alle) Leistungsträger der Destination besser zu vernetzen.
[Achtung: Onlinemarketing bedingt unbedingt eine vorausgehende inhaltliche und regionale Auseinandersetzung mit den Themen Markenbildung, USP, regionale Kooperation, Qualitätsmanagement etc; die Ergebnisse dieser Auseinandersetzung determinieren den Erfolg der hier abgehandelten Bereiche.]
Interessierte Kunden wird man heute nicht mehr nur über das Informationsportal erreichen, obwohl es als Grundservice nicht fehlen darf. Das social web hat die Erfordernisse auf den Content verlagert. Eine Destination muss in die sozialen Interaktionen der Internetnutzer eintreten und sich dort präsent machen. Dazu können social communities ebenso genutzt werden wie Blogs, Bewertungskommentare etc. Es wird folglich nicht mehr nur zentral, sondern auch im social web dezentral Content geschaffen. Diese Aufgabe müssen die User nicht alleine übernehmen, hier ergibt sich ein wichtiges Arbeitsfeld für die DMO: gezielt Content zu erstellen und zu platzieren, entweder selbst oder die Leistungsträger diesbezüglich koordinieren und instruieren – auch die Beauftragung externer Individuen mit der Erstellung von Content kann angedacht werden. Adsensewerbung und Keywords mit demographischer Segmentierung sollen zwar von Google laut Techcrunch ab jetzt auch für einige ausgewählte Social Communities verfügbar sein – Techcrunch weist aber mit Recht daraufhin, dass „fortschrittliche“ Internetuser (z.B. meinungsbildende Mitglieder in Communities) für die traditionellen Formen der Internetwerbung / Sitepromotion kaum empfänglich sind bzw. sogar Werbeblocker benutzen. Die Werbeformen in Social Communities müssen also überdacht werden:
Marketingpilgrim.com schreibt zu diesem Thema einige wichtige Sätze – sinngemäß folgenden Inhaltes: Social Media Marketing hat Potentiale, deren Nutzung aber den persönlichen Einsatz der Akteure fordert. Der (Kosten-) Aufwand der Einarbeitungszeit in social communities und networking Plattformen ist in der Relation zum Nutzen zu vernachlässigen. Bei social media marketing geht es nicht nur um konkretes Marketing, sondern auch darum, sich als Akteur in einer Community zu engagieren, um zu einem späteren Zeitpunkt auf stabilere soziale Beziehungen zu anderen Mitgliedern zurückgreifen zu können.
Die Planung, Umsetzung und Koordination dieses Schritts ist auch vor dem Hintergrund des Zusammenwachsens von SEO und social media optimization (SMO) ein äußerst wichtiges Thema. Bezogen auf die beschriebene Grundrichtung sollte Onlinemarketing also erfolgreiche Web1.0 Strategien (seo-optimierte und stark verlinkte Infoportale mit traditioneller Sitepromotion durch Adsense und co) um Web2.0/3.0 Strategien erweitern. Weiterhin sollte die Offlinewerbung stärker mit der Onlinewerbung verzahnt werden, um Effekte besser messen zu können und den Gast schon offline Richtung Web2.0 zu bewegen (z.B. Offlineaufforderung zum Taggen und zur FlickR-Nutzung).
Drei abschließende Sätze zum Onlinetourismus und DMOs:
1. First-Mover werden im Vorteil sein, da sie mehr Zeit hatten Erfahrungen zu sammeln und „soziale“ Erfahrungen gerade im social web kaum zu ersetzen sind.
2. Marketing muss nicht teuer sein. Das Internet lässt sich beispielsweise via crowdsourcing (Beispiele siehe hier und hier und hier) oder Geschichten mit Selbstläufercharakter (storytelling) kosteneffizient und intensiv nutzen.
3. Tourismus erfordert nicht nur Managementskills sondern auch Kreativität als Teil der Ausbildung für Arbeitskräfte im Strategiebereich und als Teil der Tätigkeit einer DMO.
D.A.